Samstag, 18. Januar 2020

OSTUNI / Die weiße Stadt / Eine Sprachreise zur Casa di Puglia


OSTUNI hatte mich schon seit Jahren magisch angezogen. Es war diese weiße glänzende Stadt auf dem Hügel,


umgeben vom Grün der Olivenbäume, und das Meer im Hintergrund. Aus meiner ersten Anmeldung wurde nichts, ich verschob die Reise auf später; ich hatte Sorge vor Einsamkeit und Kälte in der Unterkunft in einem der dort typischen Trulli zu der von mir beabsichtigten Jahreszeit im Oktober. 

Bei meiner zweiten Anmeldung wählte ich eine traditionelle Wohnung in der Stadtmauer und fühlte mich sofort gewärmt, behütet und gut aufgehoben. 


Der Steinbalkon und die Dachterrasse gehören zur Wohnung.
Gerade angekommen in der Wohnung mit ihrem "Wächter".

Mir war klar, dass die Casa di Puglia in Ostuni eine besondere Schule sein würde, keine große Schule, aber eine Schule mit sehr persönlichem Kontakt. Aber dass ich zu dieser Jahreszeit der einzige Schüler der Schule "Casa di Puglia" in Ostuni sein würde, damit hatte ich doch nicht gerechnet.




Wie allgemein üblich, wurden dann meine gebuchten vier Unterrichtsstunden auf die Hälfte reduziert, da man ja nicht, wie in einer Gruppe es der Fall wäre, auch zuhören kann und nicht immer sprechen muss. Als ich beim ersten Mal vor Jahren von dieser Regelung hörte, war ich zunächst erstaunt und etwas verstimmt. Jetzt habe ich es aber beim Unterricht und dem dabei mir noch möglichen eigenen Konzentrationsvermögen als Einzelschüler gemerkt, dass das seinen Sinn hat. 




Stani, der Gründer der Schule und mein Lehrer, bot mir trotzdem am ersten Tag an, die vier gebuchten Stunden nicht zu reduzieren und an den weiteren Tagen drei Stunden zu unterrichten. 
Am ersten Tag wurden es drei, am zweiten Tag dreieinhalb, und ich war völlig ermüdet; am Ende des Unterrichtes war ich kaum mehr im Stande, einen einfachen Satz zu sprechen. 
Trotzdem glaube ich, dass mir gerade diese Erfahrung während dieser Stunden sehr geholfen hat, lockerer zu werden. 
Ich glaube auch, es braucht so eine Phase, in der man zunächst kaum ein Wort versteht und völlig ermüdet ist. Es braucht diese Phase, man muss sie überwinden, um dann ein einfaches Gespräch aus dem Bauch heraus, ohne kognitive Anstrengung und gedankliche Zensur, führen zu können.




Stani war großartig. Seine Energie und seine Freude, einem Sprachstudenten etwas beizubringen, ihm die Sprache und die Kultur zu vermitteln, war eindrucksvoll und ansteckend. Wichtige Dinge schrieb er auf und ich konnte sie dann zur Erinnerung mitnehmen. 

Casa di Puglia, Schule für die italienische Sprache und Kultur



Nachmittags und abends habe ich dann die Stadt erkundet und es genossen, in den schmalen, weißen Gassen entlang zu gehen und mir vorzustellen, wie es hier früher war.



Mein Lieblingsbistro war das "Bistro Borgo antico", ein Bistro auf den Stufen der Stadtmauer mit Blick aufs Meer, wenn man hoch genug sitzen konnte.


Zusätzlich bot Stani mir an, Sightseeing-Touren in die Umgebung zu unternehmen, und so konnte ich mit ihm an einem Nachmittag in seinem Auto nach Alberobello fahren, in die Stadt, in der es noch Viertel gibt, in denen zu 90 % die alten traditionellen Trulli von Einwohnern bewohnt werden. Seit 1996 gehört sie zum Weltkulturerbe. Das waren natürlich Unterrichtsstunden extra und gratis. Die Besichtigung ist für alle Ostuni-Besucher ein absolutes Muss.
Dabei habe ich auch erfahren, warum Apulien seinen Namen hat und was es mit den Trulli auf sich hat.
Apulien hat seinen Namen von den Worten "a" + "pluvia", d.h. kein Regen, weil es sich dort eine extrem regenarme Region Italiens handelt.
Die Olivenbäume der Region haben das aber gut überstanden. Alberobello liegt im Itria-Tal, in der Region, in der es die meisten ältesten Olivenbäume Italiens gibt. Es sind Olivenbäume, die bis zu 3000 Jahre alt sind, 2000 Jahre alte Olivenbäume sind keine Seltenheit und 1000 Jahre alte Bäume kommen häufiger vor. 25 % aller Olivenbäume Italiens befinden sich in Apulien. Ich habe verstanden, dass die vielen Olivenbäume früher zu 90 % für die Produktion zur Energie – Gewinnung (Lampen) angebaut worden, nur 10 % wurden für das Kochen benutzt, heute ist es umgekehrt. Aber die Vorstellung, dass z.B. Julius Cäsar oder Jesus Christus vom gleichen Ölbaum Öl in Licht Energie genutzt haben, von dem wir heute Oliven essen können, ist schon ein seltsamer Gedanke.



Es ist nicht eindeutig belegt, seit wann es in Apulien diese Trulli gibt. Für die gehäufte Verbreitung dieser Bauart in Alberobello gibt es aber einen besonderen Grund: 
Giangirolamo II. Acquaviva, als Graf von Conversano Feudalherr der Gegend, wollte damit im 17. Jahrhundert eine im Königreich Neapel geltende Bestimmung umgehen, wonach es verboten war, neue Ortschaften ohne Erlaubnis zu gründen. Diese Erlaubnis kostete Geld.
Allerdings ließen sich aber um Alberobello herum immer mehr neue Siedler nieder. Girolamo machte ihnen allen zur Pflicht, bei der Bauweise dieser Trulli zu bleiben. Diese waren ebenso schnell zu demontieren wie wieder aufzubauen. Und wenn sich eine kaiserliche Kontrollkommission ankündigte, konnte man durch Entfernung eines Steines alles zusammenbrechen lassen, um den Geldeintreibern zu demonstrieren, dass man eine so armselige Ansammlung von halben Wänden nicht als neue Siedlung bezeichnen könne. Deshalb mussten keine Steuern bezahlt werden. Der Erfolg dieser Maßnahme führte zu der Anordnung, in Alberobello überhaupt keinen Mörtel zu verwenden, und so wurde diese Bauform zur Tradition.




Nachtrag in Corona-Zeiten:
Schon von weitem ist Ostuni wie eine weiße Trutzburg zu sehen, die schon einmal, im 17. Jahrhundert, eine herausragende Rolle innehatte.
1656 erlebte Süditalien ein schreckliches Jahr. Das Königreich Neapel wurde lange Zeit von einer Pestepidemie heimgesucht, die die Städte und ganze Landstriche mit einer verheerenden Ansteckungsrate verwüstete.
Einige Städte, wie Ostuni, blieben aber von der Ansteckung unberührt, sie trotzten der Pest, sicherlich dank des Brauchs der Bewohner des gesamten Itria-Tals, die Wände ihrer Häuser mit Kalk zu bedecken, um sie weiß zu bemalen. Branntkalk ist ein basisches Produkt und hat eine bemerkenswert starke desinfizierende Eigenschaft. 
Das Weiß des Kalks wurde dann zu einen Symbol der Stadt Ostuni, obwohl die Bewohner von Ostuni, die später lebten, sich wohl kaum hatten vorstellen können, dass Kalk ihr Leben vor der Pest geschützt hatte.
Heute wissen wir mehr, vielleicht kann auch heute die Stadt Ostuni ein Vorbild sein durch gute Vorsorge, Einhalten der Corona-Regeln und Mitarbeit ihrer Bewohner.



Schön, dass ich durch diesen Beitrag erfuhr, dass die Begeisterung für Apulien und besonders Ostuni schon lange in unserer Familie verankert ist und dass sogar Bilder von Ostuni von meiner Tante, Gudula Soergel, existieren, von denen ich hier eines veröffentlichen darf.

Gudula Soergel für Silke / 2005




3 Kommentare:

  1. Caro Achim, le tue parole sono troppo gentili. Complimenti per il blog: divertente ma scritto con competenza e passione. Le foto sono bellissime, bravo! Speriamo di rivederti un giorno (presto) nella Città Bianca, Stani & Carmen

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    1. Caro Stani! Grazie mille per le tue parole gentilissime.È stato un piacere per me essere uno studente da te alla tua scuola a Ostuni. Mi ricorderò sempre le lezioni molto interessanti e vivaci e la tua energia positiva e la tua estrema pazienza per insegnare la lingua e la cultura italiana. Mi ricorderò anche sempre la nostra visita a Alberobello con la tua macchina. Ho imparato moltissimo.
      Per tutte le persone che vogliono imparare la lingua italiana posso raccomandare la scuola
      Casa di Puglia con tutto il mio cuore.
      Grazie Stani.
      Achim

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    2. Grazie a te, caro Achim. Ad ottobre non potevamo immaginare cosa sarebbe successo 6 mesi dopo in tutto il mondo. Per la prima volta tutti noi sappiamo quello che un'altra persona sta facendo e dove si trova, nello stesso momento in cui lo stiamo facendo anche noi. In quasi tutto il mondo.
      Un abbraccio di solidarietà e di speranza, Stani

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